Fabrik SALZMANN & COMP. Kassel / Pressearchiv / HNA 15.02.2014


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Industriedenkmal von überregionalem Wert
Alte Salzmann-Fabrik: Gefahr durch den Verfall



Kassel. Für zügige Sicherungsarbeiten an der ehemaligen Weberei Salzmann setzt sich der Arbeitskreis für Denkmalschutz und Stadtgestalt ein. In einem offenen Brief, der in dieser Woche an Magistratsmitglieder und Stadtverordnete verschickt wurde, appelliert der Arbeitskreis an die Verantwortung der Stadt Kassel als Untere Denkmalschutzbehörde.

Bauschutt: RP räumt noch Zeit ein

Weil auf dem Gelände des Industriedenkmals in Bettenhausen noch 10 000 Tonnen Bauschutt liegen, hat das Kasseler Regierungspräsidium (RP) eingegriffen. Auch die Staatsanwaltschaft wurde wegen des Verdachts des Betriebs einer nicht genehmigten Bauschutt-Deponie eingeschaltet. Seit Ende Januar sei Salzmann-Eigentümer Dennis Rossing mit der Behörde im Gespräch, sagt RP-Sprecher Michael Conrad. Rossing hatte im Dezember 2013 erklärt, er wolle eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem RP vermeiden. Es handele sich um alte Ziegelsteine und Abbruchmaterial, das bei künftigen Bauvorhaben auf dem Gelände wieder verwendet werden soll. Rossing bekomme jetzt noch vier Wochen Zeit, um nachzuweisen, wie er weiter vorgehen will, sagt Conrad. Davon hänge ab, ob der RP Zwangsmaßnahmen einleite: „Das behalten wir uns vor.“ (ach)

Um das vom endgültigen Verfall bedrohte Kulturdenkmal zu retten, seien verbindliche Aufforderungen an Salzmann-Eigentümer Dennis Rossing nötig, dringende Sicherungsarbeiten vorzunehmen, erklärt Arbeitskreis-Sprecher Dr. Christian Presche. Man vermisse die Entschlossenheit der Stadt, gegebenenfalls Sicherungsarbeiten als Ersatzvornahme auf Kosten des Eigentümers selbst durchzuführen.

In diesem Zusammenhang rege der Arbeitskreis an, auch den Gegenwert des sehr großen Grundstücks und die Möglichkeit einer weiteren Hypothek in die Überlegungen einzubeziehen, bekräftigt Presche den Vorstoß der Denkmalschützer. Die Salzmann-Fabrik sei heute das wichtigste Industriedenkmal, das die Erinnerung an Kassels Eigenschaft als Industriestadt des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wachhalte.

„Neben der historischen und städtebaulichen Bedeutung sind die gut erhaltenen Ausstattungen der Verwaltungsräume und besonders die großen Oberlichtsäle auch von überregionalem Wert“, sagt Presche. „Die verschiedenen Dachkonstruktionen in Stahl und Beton spiegeln die technische und gestalterische Entwicklung um 1910 in eindrucksvoller und einzigartiger Weise wider. Gerade diese Gebäudeteile sehen wir aber durch Vandalismus, Verfall und mögliche wirtschaftliche Interessen besonders gefährdet.“

Der Arbeitskreis appelliere daher an die Stadt, es nicht zuzulassen, dass der gegenwärtige Zustand des Gebäudes für weitgehende Konzessionen zulasten des Denkmalschutzes missbraucht werde. Es gelte, sinnvolle Nutzungen für diese Gebäudeteile zu finden oder zu entwickeln, die dem Bestand angemessen sind, fordert der Historiker.
Neben der Verletzung der Erhaltungspflicht durch den Eigentümer sehe man nach dem Scheitern eines Behörden- und Dienstleistungszentrums auf dem Salzmann-Gelände auch die Stadt Kassel in besonderer Verantwortung. Zugleich biete sich für die Stadtverwaltung in Bettenhausen „die Aufgabe und Chance, nach dem gescheiterten Rathaus-Projekt einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Kasseler Ostens zu leisten“.

Nachdem Anfang dieses Jahres die Geschäftsstelle der Kassel Huskies als letzter Mieter auf dem Gelände an der Sandershäuser Straße ausgezogen war, stehen die historischen Ziegelbauten komplett leer. Es werden weitere Beschädigungen durch Vandalismus und Metalldiebe befürchtet, die in den alten Gemäuern bereits schwere Schäden angerichtet haben. (ach)



Salzmann-Fabrik: Eine kurze Chronik

Die Weberei Salzmann wurde 1876 gegründet, die Anfänge der Produktion lagen in Melsungen. 1890 standen die ersten Webstühle in Bettenhausen. Das Unternehmen, das vor allem Zelte und Zubehör produzierte, wuchs schnell: Bereits 1909 umfasste es sieben Fabriken mit 3500 Beschäftigten. Zeitweise arbeiteten bis zu 5000 Menschen bei „Salzmann & Comp.“ in Bettenhausen. Das Unternehmen blühte bis zum Zweiten Weltkrieg, danach ging es bergab.

1971 schlossen sich die Tore des Textilunternehmens endgültig. Die Kulturfabrik Salzmann wurde dort 1987 zur documenta 8 eingerichtet. 2003 wollte der neue Eigentümer Dennis Rossing die historischen Gebäude aus dem Jahr 1890 zu einem Kultur- und Handelszentrum umbauen. 2006 erteilte die Stadt dem Vorhaben endgültig eine Absage. 2007 wollte Rossing eine Veranstaltungsarena für 9000 Zuschauer auf dem Salzmann-Areal bauen.

Dort sollten auch die Kassel Huskies Eishockey spielen. Doch die flogen 2010 aus der DEL, die große Arena war gescheitert. 2011 plante Rossing ein Behördenzentrum, um das Industriedenkmal vor dem endgültigen Verfall zu bewahren. Die Stadtverwaltung wollte dort in einem Technischen Rathaus die Ämter des Dezernats für Verkehr, Umwelt, Stadtentwicklung und Bauen unter einem Dach vereinen. Im Frühjahr 2012 bekamen die Mieter in den Salzmann-Gebäuden Kündigungen.

2013 sprang die HUK-Coburg als künftiger zweiter Hauptmieter wegen der ständigen Verzögerungen ab. Am 29. April 2013 trat Rossing vom Mietvertrag für das Technische Rathaus zurück. Damit war das dritte Salzmann-Projekt gescheitert. (ach)